Im Alter werden Prüfungen leichter - erkenne den Fehler

Ich bin jetzt 50 Jahre alt, habe drei Kinder, habe einiges erlebt und vieles gemeistert. Stehe voll im Leben. Habe schon viele Prüfungen hinter mir. Eine weitere Prüfung, und sei es zum siebten Dan, kann mich nicht erschüttern. Alles cool.

Soviel zur Theorie.

Tag der Prüfung, morgens noch Training. Immer lächeln. Die anderen Prüflinge scheinen irgendwie besser vorbereitet zu sein, oder doch nicht? Sehe ich da Nervosität, versteckt hinter einem Programm was in voller Schönheit vorgetragen ca. eine Stunde dauern könnte? Oder bin ich mit meinem straffen Zehnminüter die Lachnummer?

Physikalische Gesetze schlagen zu, das Klo wird zum Freund, dauert noch kurz. Die Reihenfolge der Prüflinge ergibt sich durch Zufall so, dass ich als letzter dran bin. Na so ein Glück, es macht total Spaß hinter dem Vorhang im abgeteilten Raum von einem Fuß auf den anderen zu treten. Gebt mir ein Fass Weintrauben, dann verpufft die Energie nicht sinnlos. Mein lebendiges Schlagpolster, Conni, sitzt auf der Bank und strahlt ruhige Gelassenheit aus. Ich denke er ist eingeschlafen. Schon zum dritten Mal steht er mir in einer Prüfung zur Seite.

Irgendwann darf ich den Vorhang teilen und stehe alleine vor dem Prüfertisch. Erich steht mir hier als Beisitzer moralisch zur Seite und sieht damit zumindest so aus wie ich mich fühle.

Als es dann losgeht und ich aufgehört habe meinen Puls zu zählen, weil mir so hohe Zahlen einfach unheimlich sind, kehrt plötzlich Ruhe im Hinterkopf ein. Nein, ich will nicht einfach vortanzen. Ja, ich will noch was im Vorfeld sagen. Was mich zur Auswahl des Programms bewegt hat, was ich mir dabei denke. Ich zeige eine Kata von Asai Ryu als Grundschulübungsform, gehe weiter zum Vergleich von Shotokan und Shito Ryu am Beispiel von Kanku Dai und Kushanku. Zeige die Unterschiede auf, vergleiche die vergleichbaren Passagen. Lehrform, Infight, Selbstverteidigung. Am Ende noch das Bunkai der verglichenen Kombinationen mit Conni als Partner. Immer im Dialog mit den Prüfern. Flow. Cool - doch, jetzt wirklich. Am Ende erfahre ich, dass meine Prüfung am längsten von allen gedauert hat und mir der Rest hinter dem Vorhang gebannt gelauscht hat. Wie ist denn das passiert? Lob von den Prüfern wegen meiner guten und detaillierten Vorbereitung? Meinen die mich? Am Ende die Urkunde in der Hand, Gruppenfoto, Hände schütteln. Wache ich jetzt gleich auf? Nein, manchmal ist die reine Realität auch traumhaft.

Ein Jahr Vorbereitung, immer wieder am Programm feilen. Es soweit verinnerlichen, dass es einen ankotzt es nochmal zu wiederholen. So ein Mist macht das bloß nicht! Obwohl... am Ende ist es cool!

Reiner