Iain Abernethy 12. - 13.10.2019 in Eibach

Ja. Einfach ja. Auflösung später.

Was macht man am liebsten wenn der Herbst golden zurückkommt, der Oktober einen mit warmen Armen umfängt und auf sanften Winden durch die bunt gefärbten Haine unzähliger Bäume führen möchte. Die Wanderung an der frischen Luft einem noch einmal richtig Kraft für die anstehende gruselige Winterzeit geben möchte? Richtig, man geht in die Turnhalle!

Was für Menschen trifft man hier, insbesondere wenn Iain seine Ideen auspackt? Menschen die nichts lieber tun als sich hier zu verausgaben, die lächeln wenn Methoden gezeigt werden einem Angreifer Schmerzen zuzuführen. Die noch mehr lächeln wenn sie selber geschlagen werden und es endlich so weh tut wie prophezeit. Auf und ab tänzeln, jammern und sich die Gliedmaßen reiben, dabei lächeln und immer wieder sagen: 'Der war gut, der war gut!'.

Auch diesesmal sollte es nicht anders sein. In der Turnhalle beim TSV Eibach haben sich wieder viele dieser Menschen eingefunden um sich zu quälen. 40 Jahre hat das Dojo nun auf dem Buckel, herzlichen Glückwunsch. Ein Anlaß der gebührend mit einem hervorragenden Catering durch Hilde und Karl-Heinz unterstrichen wurde. Sie selbst war die ganze Woche bis Abends um eins in der Küche gestanden um alles vorzubereiten, einen Kuchen nach dem anderen zu backen. Weitere Helfer ausser Karl-Heinz waren ... irgendwie ... soll ja vorkommen ... verhindert. Aber die Geschichte darf ein anderer erzählen.

Iain hatte als Thema die Kata Meikyo und Wankan. Sein aktuelles Konzept sieht vor die Kata als Kampfsystem vorzustellen, welches Reihen von Alternativen verknüpft bis der Gegner letztendlich besiegt ist. Geht das nicht, mache ich jenes, wenn das nicht funktioniert, komme ich damit usw.. Sehr durchgängig und die Ideen wie zu erwarten brilliant. Diesesmal vermischte er gleich die Sichtweisen und Abläufe verschiedener Stilrichtungen. Sein Ziel war es zu zeigen wie die verschiedenen Stile überhaupt entstehen konnten, also letztendlich die Ausprägungen ein und der selben Kata. Er vertritt die Meinung dass sich viele Menschen die zum gleichen Zeitpunkt das gleiche lernen sich dies einfach anders einprägen. Jeder so wie er es sich am besten merken kann. Der rote Faden zieht sich aber durch alle Versionen und wenn man nun die verschiedenen Stile für sich wieder betrachtet bringt es einem in der Erforschung des zugrundeliegenden Kampfsystems, der Ideen dahinter, enorm weiter.

Nachdem wir bereits 4:45 Stunden intensiv an den Kata gearbeitet hatten, war die letzte Stunde dem gewidmet, zu verstehen, warum verschiedenen Sichtweisen entstehen. Iain stellte uns in kleinen Gruppen zusammen und gab uns Themen vor die wir in eine kleine Kata einbauen sollten. Macht was mit Ellbogen, dann was mit Wurf, einen Hebel dazu, irgendwie noch ein Würger usw. Am Ende hatten zwar alle die gleiche Aufgabe, eine Thematik, aber heraus kam lauter Unterschiedliches.

Der Sonntag begann für mich dann mit einem Erlebnis, was ich noch meinen Enkeln erzählen werde. Ich musste vor dem Umziehen in der Halle noch aufs Klo und wer kommt aus der Kabine. Iain höchstpersönlich. Aus Reflex sagte ich 'Schichtwechsel' ohne zu merken dass er zwar lächelte aber kein Wort verstand. Aber Leute... mein Hintern, wo vorher... aber ich schweife ab.

Der Sonntag war tradtionell der Pratze gewidmet. In der ersten Stunde kümmerten wir uns darum die zuvor im Bunkai trainierten Bewegungsabfolgen so zu gestalten, dass mit der Pratze gearbeitet werden konnte. Kata nicht nur als Stilismus, sondern als Kampfsystem, was sowohl in Bunkai/SV umgesetzt als auch mit der Pratze in der Anwendung funktioniert? Was will man mehr! Iain vertritt die Ansicht, selbst Kihon muss immer Sinn machen. Abfolgen sind genial, aber sie müssen auch funktionieren. Letztendlich muss man immer auch einen Gegner dazustellen können, auch mit Pratze muss es funktionieren. Natürlich gerne alles mit leichten Abwandlungen, aber funktionieren muss es. Wenn man sich das zustimmende Nicken aller Teilnehmer angesehen hat, erkennt man gleich warum man beim Lesen so mancher Prüfungsordnung Valium benötigt und so mancher guter Wille mit gesträubten Haare, irre lachend am Horizont immer kleiner wird wenn er verschwindet.

Die letzte Einheit ... Momemt, schon die letzte? Wir haben doch erst vor drei Minuten angefangen?! Die letzte Einheit widmete sich im Wesentlichen der Entwicklung der Schlagkraft aus ungünstigen Positionen. Ich habe eben manchmal keinen Platz oder Zeit zum Ausholen, wie setzt man also optimiert den gesamten Körper um selbst noch aus wenigen Zentimetern heraus erfolgreich schlagen zu können? Trainiert wurden gerade Bewegungen, Schwinger, Bewegungen von oben nach unten usw.. Sehr interessant was noch geht wenn eigentlich nichts mehr geht. Am Ende alles noch abgerundet durch eine letzte längere Kombination an der Pratze, praktisch ein Kihon direkt umgesetzt. Ein Flow.

Und schon wieder zuende, wieder ein Jahr vor der Halle warten bis Iain wiederkommt. Das vermutlich letzte Sonnenwochenende des Jahres in der Halle verbracht. Platt ohne Ende, alles tut weh, der Schädel brummt vor soviel neuen Eindrücken und soviel neuem Wissen.

Hat es sich gelohnt? Ja. Einfach ja.

Euer Katakasper